Wie Deutschland EU-Gelder in Afrika verwaltet | DW | 14.04.2022 (2023)

Deutschland leistet den größten Beitrag zum EU-Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika, der 2015 eingerichtet wurde, um die Migration nach Europa zu kontrollieren. Wohin fließt das Geld und wie geht es weiter?

Es ist Ende 2015: EU-Diplomaten und Regierungen der Mitgliedstaaten wollen verhindern, dass so viele Migranten zur gleichen Zeit wie in diesem Jahr die Europäische Union erreichen. "Das Bewusstsein war groß, dass gerade in Afrika etwas getan werden muss, um den Menschen eine Perspektive in ihren eigenen Ländern zu geben", sagt Udo Bullmann, Sozialdemokrat und Mitglied des Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments.

Unter anderem aus dieser Motivation heraus wurde der EU-Nothilfe-Treuhandfonds (EUFF) für Afrika ins Leben gerufen.Rund 5.000 Millionen Euro „Sofortfinanzierung“, größtenteils aus bestehenden Entwicklungsmitteln abgezweigt. Ziel war es, schnellstmöglich Mittel zur Bekämpfung der strukturellen Ursachen illegaler Migration zu verteilen.

Fast ein Viertel des EUFF-Budgets stammt aus Deutschland

WissenschaftlerjANGkritisieren den Fonds: Die EU setze Entwicklungsgelder ein, um ihre eigenen innenpolitischen Interessen voranzutreiben. Sie erwartet kurzfristige Lösungen für langfristige Probleme und räumt der Migrationskontrolle Vorrang vor der Förderung von Freizügigkeit oder legalen Migrationswegen ein.

Deutschland ist mit der höchsten Wirtschaftsleistung aller EU-Staaten der größte Beitragszahler des EUFF. Zwischen 2016 und 2021 steuerte die Bundesregierung rund 316 Millionen Euro aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bei. Darüber hinaus zahlt Deutschland auch den Großteil der Beiträge zum Gesamthaushalt der EU und zum Europäischen Entwicklungsfonds. Von dort kommt das meiste Geld des EUTF. In der Regel stammt etwa ein Viertel des Budgets aus der deutschen Staatskasse.

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Bei Fragen zum EUTF wandte sich das Entwicklungsministerium an das Außenministerium. Das Auswärtige Amt betonte gegenüber der DW, die Bundesregierung wolle vor allem die "Gemeinsame EU-IOM-Initiative zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr von Migranten aus afrikanischen Transit- und Zielländern" unterstützen. Darüber hinaus werden unter anderem „EUTF-Maßnahmen zur Stabilisierung libyscher Gemeinden entlang der Migrationsrouten“ und „Stabilisierungsmaßnahmen“ in der Sahel-Region unterstützt.

Manche Beobachter haben den Eindruck, dass die Bundesregierung der Entwicklungszusammenarbeit mehr Aufmerksamkeit schenkt als andere EU-Staaten. "Das BMZ hat immer darauf geachtet, Entwicklungsgelder nicht zu sehr zu verwässern", sagt David Kipp, Migrationsforscher bei der Stiftung Deutsche Wissenschaft und Politik. Generell wolle Deutschland vermeiden, so Kipp, dass die Mittel als Mittel der Lobbyarbeit eingesetzt werden, um Partnerländer zur Zusammenarbeit mit EU-Interessen zu bewegen.

EU-Interventionen schließen Grenzen in Afrika

Aber das scheint wirklich Teil der Strategie zu sein. 2017 etwa stellte die Europäische Union die Bewilligung von Geldern des äthiopischen EUTF so lange ein, bis sich das Land bereit erklärte, abgeschobene Bürger schneller aufzunehmen.

EinsStudie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitikkommt zu dem Schluss, dass dies insbesondere in Westafrika der Fall ist, wo EU-Programme so weit gehen, dass sie die Freizügigkeit in der Region behindern. Am Horn von Afrika hingegen unterstützen EU-Maßnahmen eher Programme, die es den Menschen ermöglichen, sich in der Region zu bewegen.

Deutsche Entwicklungshilfeorganisation steht an vorderster Front

Viele EUTF-Gelder fließen an internationale Organisationen wie die Internationale Organisation für Migration oder den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), die die Projekte dann vor Ort umsetzen. Aber auch nationale Entwicklungshilfeorganisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) engagieren sich stark. Als öffentliches Unternehmen nimmt die GIZ Aufträge von mehreren Bundesministerien, hauptsächlich dem BMZ, entgegen. Siesondern erhält auch immer mehr EU-Gelder. Über den EUTF beteiligt sich die GIZ an Projekten mit einem Gesamtbudget von über 800 Millionen Euro, mehr als jede andere Durchführungsorganisation.

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Aus EU-Sicht ist es sinnvoll, mit großen und bekannten Organisationen wie der GIZ zusammenzuarbeiten. „Das sind große Maschinen“, sagt Udo Bullmann, „ganz nah an den jeweiligen Ministerien“. Auf diese Weise können Ministerien Projekte überwachen und sicherstellen, dass die Durchführungspartner die EU-Anforderungen erfüllen. Aber es bedeutet auch, dass einige europäische Organisationenverwalten die meisten EU-Mittel in Entwicklungsländern.

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„Wer nachhaltige Entwicklungshilfe will, muss Projekte vor Ort verankern, um langfristig etwas zu bewirken“, sagt Bullmann. Große Organisationen müssten daher mit lokalen Partnerorganisationen zusammenarbeiten, die ein besseres Verständnis für die Kultur und die Bedürfnisse der Gastländer hätten.

Deutsche Organisationen sind in West- und Nordafrika aktiv

Projekte mit deutscher Beteiligung, insbesondere durch die GIZ, sind am aktivsten im EUTF-Sahel-Fenster: eine der drei Fokusregionen der EUTF, die 12 westafrikanische Länder zwischen Tschad und Senegal umfasst. Dorthin fließt die Hälfte des Budgets für Projekte mit deutschen Organisationen. Auch in Nordafrika sind deutsche Organisationen überdurchschnittlich aktiv, etwa in Libyen, Marokko oder Ägypten, seltener jedoch am Horn von Afrika.

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In Nordafrika engagiert sich die GIZ in verschiedenen Programmen zur Migrationskontrolle, hauptsächlich in Zusammenarbeit mit anderen Entwicklungsorganisationen. Ein Beispiel ist ein Projekt"Management gemischter Migrationsbewegungen in Libyen", das unter anderem Daten zu Migrationsrouten sammelt, mit Gefängnissen und libyschen Behörden zusammenarbeitet, um die Bedingungen für Migranten zu verbessern sowie Arbeitsplätze zu schaffen und die Grundversorgung zu verbessern. Für letzteres trägt die GIZ die Hauptverantwortung, während verschiedene UN-Gremien an den anderen Zielen arbeiten.

GIZ-Projekte in der Sahelzone, die vom EUTF gefördert wurden, versuchen in erster Linie, Arbeitsplätze zu schaffen und leisten häufig finanzielle Unterstützung. Es geht eher um klassische Entwicklungshilfe, deren Beschreibung an das Thema Migration zum EUTF angepasst wurde. Das Projekt"Aufbau einer Zukunft: Doing it in The Gambia"Als Zielgruppe wird beispielsweise „Die gambische Jugend, einschließlich angehender und zurückkehrender Migranten“ genannt.

Was als nächstes?

Der EUTF nimmt seit Ende 2021 keine neuen Projekte mehr an. In ihrem neuen Finanzrahmen will die Europäische Union ihre bisherigen Entwicklungshilfefonds, darunter auch den EUTF, aufstockenzu einem tollen Hintergrund kombinieren. Das „Instrument für Quartiersentwicklung und internationale Zusammenarbeit“ umfasst für den Zeitraum 2021-2027 80.000 Millionen Euro, davon fließen zehn Prozent in migrationspolitische Projekte. Ziel ist es, die Entwicklungshilfeprogramme der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten besser aufeinander abzustimmen.

David Kipp begrüßt diese Entwicklung, solange sich die EU nicht nur auf die negativen Aspekte von Migrationsbewegungen konzentriert. „Das ist in Brüssel leider keine Mehrheit mehr“, sagt Kipp. "Drittmittel sind in den Vorschlägen der französischen Ratspräsidentschaft eigentlich nur ein Vehikel für die Rückübernahme von Einwanderern. Das kann sicher nicht im Interesse der neuen Bundesregierung sein."

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Die russische Invasion in der Ukraine hat dazu geführt, dass Hunderttausende von Flüchtlingen erneut Asyl in der EU beantragt haben. Der EU-Haushalt wird wahrscheinlich entsprechend angepasst, indem beispielsweise Mittel umgeleitet werden, um mehr für die Verteidigung auszugeben und den Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen.
Aber wenn die jüngste Geschichte nicht irrt, wird Deutschland die Entwicklungspolitik der Europäischen Union in Afrika noch auf Jahre hinaus maßgeblich mitbestimmen, wie auch immer das sein mag.

Herausgegeben von: Milan Gagnon und Greta Hamann

Dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen mehreren Mitgliedern vonEuropäisches Netzwerk für Datenjournalismusentwickelt. DW leitete das Projekt, Voxeurop, Openpolis und OBCT waren Mitherausgeber.

Dem Geld hinterher: Was sind die migrationspolitischen Prioritäten der EU? Von der Bekämpfung der Fluchtursachen bis zur Bekämpfung des Menschenhandels: Die EU-Migrationspolitik hat viele Ziele. Auf dem Papier sehen sie gleichwertig aus. Finanziell sind sie es nicht, wie eine DW-Datenanalyse zeigt.
Hilfsorganisationen stellen der deutschen Afrikapolitik schlechte Noten aus Hilfsorganisationen stellen in ihrem „Kompass 2019“-Bericht jedoch fest: Viele Prioritäten sind falsch.
Geld kann Fluchtursachen bekämpfen, aber das allein reicht nicht aus Kann Geld Fluchtursachen bekämpfen? Dass das funktionieren kann, zeigt die Datenrecherche der Deutschen Welle. Entwicklungshilfe allein wird jedoch große Flüchtlingsbewegungen nicht stoppen können.
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  • Gegeben14.04.2022
  • Autorkira eje
  • ThemenseitenEntwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP),Migration nach Deutschland,europäische Union,Deutschland,Hermann Van Rompuy,Berlin,José Manuel Barroso,afrikanische Vereinigung
  • HängeetikettenDDJ,UE,EUTF,Entwicklungshilfe,irreguläre Migration,Zusammenarbeit für Entwicklung,Nothilfe-Treuhandfonds,europäische Union,afrikanische Vereinigung,Afrika,Migration,GIZ,Deutschland,BMZ,Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten
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Author: Rev. Porsche Oberbrunner

Last Updated: 03/07/2023

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